Bundeswehr in der Schule

„Die Bundeswehr in der Schule – Widerspruch zur schulischen Friedenserziehung oder nicht?“ Der Beantwortung dieser Frage diente eine bildungspolitische Veranstaltung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Weißenburg. Der Kreisverband der GEW hatte dazu Gäste aus Berlin eingeladen, u. a. vom Robert-Blum-Gymnasium, das eine Zusammenarbeit mit der Bundeswehr ablehnt, wofür der Schule letztes Jahr der Aachener Friedenspreis verliehen wurde.

Thomas Schmidt, Mathematiklehrer an diesem Gymnasium, berichtete im ersten Teil seines Referats von den gewaltigen Anstrengungen, die die Bundeswehr gegenwärtig unternimmt, um nach Aussetzung der Wehrpflicht frühzeitig auf Minderjährige zuzugehen. Der hierfür zur Verfügung stehende Werbeetat wurde innerhalb weniger Jahre auf einen Betrag von ca. 30 Millionen Euro verdreifacht. Mit diesem Geld finanziert die Bundeswehr einerseits ihre Beteiligung an Berufsmessen oder der Berliner Jugendmesse YOU, auf der ein Kampfjet und ein Panzer präsentiert wurden. Die Attraktivität des Ausstellungsstands wurde durch Gimmicks und Preisausschreiben wirkungsvoll unterstützt. Der Referent präsentierte Fotos von herumtollenden Kindern, die auf Militärfahrzeuge kletterten wie auf ein Spielplatzgerät.

Zusammen mit einer Internetplattform, Praktika, Truppenbesuchen und anderen Events werden so um die 300000 Teenager im Jahr erreicht. Andererseits bahnt die Bundeswehr über neuerdings Karriereberater genannte Werber Kontakte zu potentiellen Rekruten verstärkt in den Schulen an. So forderte der ehemalige Verteidigungsminister Thomas De Maizière 2011: „Die Mitarbeiter müssen raus in die Schulen, raus in die Sportvereine und dort werben!“ Hier entfalte sich zudem für die größeren Jungs auch das Identifikationspotential der attraktiven und „coolen“ Bundeswehrangehörigen, ergänzte Thomas Schmidt. Über diese Schüler würden wiederum wesentlich jüngere Geschwister beeinflusst, wie die ehemalige Abiturientin Scherihan Astab berichtete.

Den indirekt werbenden Auftritt der Jugendoffiziere, die als Experten auch an vielen Berliner Schulen Sicherheitsfragen und Außenpolitik unterrichten, obwohl Berlin bislang keinen Kooperationsvertrag mit der Bundeswehr unterzeichnete, konzedierte sogar ein anwesender ehemaliger Jugendoffizier aus dem Publikum, der darüber hinaus einige Vorgehensweisen seiner Kolleginnen und Kollegen kritisierte und für sich persönlich in Anspruch nahm, Schülerinnen und Schülern auch von der Politik abweichende Überzeugungen offenbart zu haben.

Zu diesem Problemfeld merkte Reinhard Wagner vom Bündnis „Schule ohne Militär“ an, dass es nicht Aufgabe der Exekutive, also der Bundeswehr sei, Außen- oder Sicherheitspolitik zu erläutern, sondern Grundaufgabe der Mandatsträger, die die Auslandseinsätze der Bundeswehr rechtfertigen und verantworten. Wenn es die Sozialkunde und Geschichte unterrichtenden Lehrkräfte wünschten, könnten Parlamentarier diese Gründe vor Schülern erläutern. Hierbei könnte durch Einladung verschiedener Parteivertreter in den Unterricht dem Kontroversitätsgebot des Beutelsbacher Konsenses viel eher entsprochen werdenals die einseitige im Prinzip immer regierungsnahe Darstellung der Ziele und Handlungen der Bundeswehr in den Konflikten, in die sie zur Zeit involviert ist.

Gerade pädagogisch sei es erforderlich, so Reinhard Wagner, dass die konkrete Unterrichtsstunde auch die entgegengesetzte Darstellung von in der Gesellschaft kontrovers diskutierten Fragen – und dazu gehören die Auslandseinsätze, die von der Bevölkerungsmehrheit jeweils abgelehnt werden – beinhaltet. Eine zeitversetzte Korrektur im Fachunterricht nach dem Besuch des Jugendoffiziers, der an der Akademie für Information und Kommunikation der früheren Akademie für psychologische Verteidigung ausgebildet wird, führe zur Überrumpelung der Schüler durch einseitige Thesen und Meinungen, so der Referent. Fachleute für das Lernen seien nun mal Lehrerinnen und Lehrer, legitimiert durch die Planung und Reflexion von Lehr- und Lernprozessen.

Aus diesen Erwägungen heraus entwickelten sich in den Gremien des Robert-Blum-Gymnasiums Diskussionen in der Gesamtkonferenz der Lehrkräfte und in der Schulöffentlichkeit, mit der Absicht, den Widerspruch zwischen dem im Berliner Schulgesetz festgelegten Auftrag, gesellschaftliches Leben auf der Grundlage des Friedens zu gestalten, und Einbezug militärischen Denkens und Handelns zu lösen. Im Endeffekt verzichtet die Schule auf Besuch von Bundeswehrpersonal und erhält keinerlei Werbematerial zur Verteilung. Dafür wurde ihr zusammen mit der Käthe-Kollwitz-Schule, Offenbach, und einer der Friedensarbeit verpflichteten Schule im Irak der Aachener Friedenspreis 2013 zugesprochen.