"Leitkultur" und Schülerfirmen

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) lehnt das von der CSU geplante Integrationsgesetz strikt ab. Die Schulpflicht werde eingeschränkt, die Erwachsenenbildung taucht im Entwurf nicht auf, dafür hätten Flüchtlinge „die Leitkultur“ zu achten. Auch Schülerfirmen und Wirtschaftsplanspiele an Schulen stehen in der Kritik des Vorstands der Kreis-GEW.

Der Gesetzesentwurf zur Integration von Migranten, den die CSU noch vor der Sommerpause verabschieden will, verpflichte die Schulen auf die Förderung von „Integrationszielen“, was an sich zu bejahen ist, schreibt die GEW in ihrer Pressemitteilung. Flüchtlinge auf die „unabdingbare Achtung der Leitkultur“ hinzuweisen, halten die Gewerkschafter jedoch für verfehlt, zumal der Begriff „Leitkultur“ auf eine „identitätsbildende Prägung unseres Landes“ verweist. Das riecht für Michael Bratenstein bedenklich nach dem Standpunkt: „Der Herr im Haus bin ich. Die, die zu uns kommen, haben sich gewachsenem Brauchtum, Sitten und Traditionen anzupassen, wie es mittelbar in der Präambel zu lesen ist.“

Der Erwachsenenbildung widmet der Gesetzesentwurf keine Zeile. Dies brandmarken die Gewerkschafter als kontraproduktiv, da die meisten Flüchtlinge erwachsen sind und gerade für sie eine Fülle an Integrationsaufgaben zu bewerkstelligen sei. Gesetzlich verankert werden müssten: Deutschkurse in den Kommunen und Landkreisen, flächendeckend politische und interkulturelle Bildung für Geflüchtete und Einheimische, landesweit Stellen für Bildungsberatung, Fortbildung für planendes und lehrendes Personal. Die Integration der Geflüchteten bedeute eine Langzeitaufgabe, was ohne qualifizierte, fest angestellte und tariflich bezahlte Kräfte nicht geleistet werden könne.

Mit dem juristischen Kunstgriff, das Schulrecht folge dem Asylrecht, hebelt man die Schulpflicht aus, kritisiert Ekkehard Lindauer. Denn die Schulpflicht besteht laut Begründung des Gesetzesentwurfs so lange nicht, „wie eine asylrechtliche Verpflichtung gegeben ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen.“ Bei Personen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern, so Lindauer, ist die zeitlich unbefristete Unterbringung in solchen Aufnahmeeinrichtungen möglich. Das bedeutete, Kinder und Jugendliche mit der Verpflichtung, dort zu wohnen, wären zeitlich unbefristet nicht mehr schulpflichtig und damit vom staatlichen Schulangebot ausgeschlossen. Nach Auffassung der GEW widerspricht das eindeutig der UN-Kinderrechts-konvention.

Warum die CSU einen Gesetzesentwurf auf den Weg bringt, der nach Auffassung der GEW Integration und Bildung zuwiderläuft, erklärt Harald Dösel mit dem Bestreben der CSU, die vielen potenziellen AFD-Wähler einzufangen. So gesehen handele es sich doch um ein „Integrationsgesetz.“ Eines, das allerdings vor dem Bundesverfassungsgericht kaum bestehen wird, meint Dösel: „Wer sich der Leitkultur, über die in der Präambel schwadroniert wird, nicht anpasst, muss mit Sanktionen rechnen.“

Ebenso kritisch betrachtet die GEW Schülerfirmen und Wirtschaftsplanspiele. In Medien, auch in lokalen, ist immer mal wieder zu lesen, dass Schüler in solchen Firmen „unternehmerisches Denken und Handeln“ lernten. Für Harald Morawietz steht ein fragwürdiges Menschenbild dahinter: „Unternehmerisch sein heißt längst auch, ein jeder hat selbstverantwortlich alle Bereiche seines zwangsläufig wechselvollen Lebens zu bewerkstelligen. Gleich ob mit oder ohne Kapital und Arbeit, auf gemeinschaftliche Sicherungssysteme, eine langfristige, gesicherte Anstellung braucht man nicht zu hoffen.“ Die Illusion, jeder sei seines Glückes Schmied, solle mit Schülerfirmen und Wirtschaftsplanspielen in den Köpfen implementiert werden.

Ökologische Verantwortung wie auch Team- und Konfliktfähigkeit mithilfe von Schülerfirmen und ökonomischen Planspielen zu stärken, das erscheint auf den ersten Blick als pädagogisch sinnvoll. Die Preisstifter kommen aber in aller Regel aus der Wirtschaft, betont die GEW und sie fragt, warum das bayerische Kultusministerium nicht auch gewerkschaftliche Planspiele und Mappen für Betriebspraktika fördere, die u. a. engagiertes Handeln von Betriebsräten für ihre Belegschaft als ein Lernziel enthalten. Statt „Erfolgreiche Jungmanager“ wäre vielleicht dann in der Presse „Streitbare Jungbetriebsräte“ zu lesen, sofern das Kultusministerium Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände auf dieselbe Stufe stellte.